Deutsche Raketentechnik im Detail: Die ungewöhnliche Bauweise der 15 cm Wurfgranate 41.
Alte Erinnerungen

Deutsche Raketentechnik im Detail: Die ungewöhnliche Bauweise der 15 cm Wurfgranate 41.

Während des Zweiten Weltkriegs entwickelte Deutschland zahlreiche Raketenwaffen, um der wachsenden Überlegenheit der alliierten Streitkräfte zu begegnen. Neben den bekannten V-Waffen (V1 und V2) gab es viele weniger bekannte, aber technisch ebenso interessante Entwicklungen. Eine davon war die 15 cm Wurfgranate 41 – ein Artilleriegeschoss, das durch seine ungewöhnliche Konstruktion auffiel.

Die meisten deutschen Raketenprojektile dieser Zeit setzten auf Drallstabilisierung, also die Stabilisierung durch Rotation. Dies unterschied sie grundlegend von den flugelstabilisierten Systemen, die z. B. in den USA oder Großbritannien verwendet wurden. Durch die Rotation konnte eine höhere Zielgenauigkeit erreicht werden, insbesondere bei größeren Distanzen. Auch die Wurfgranate 41 folgte diesem Prinzip – doch mit einem entscheidenden Unterschied: Der Raketenmotor befand sich nicht am Heck, sondern an der Front des Geschosses.

Diese Anordnung war technisch bemerkenswert. Die Abgasdusen (Venturis), durch die der Schub erzeugt wurde, waren nicht am Ende des Körpers angebracht, wie es bei Raketen ublich ist, sondern etwa im hinteren Drittel des Geschosses. Das bedeutet, dass die Triebwerksgase nach hinten ausgestoßen wurden, obwohl der Brennraum sich im vorderen Teil befand. Durch diese Verlagerung konnten bestimmte Vorteile erzielt werden, etwa eine bessere Schwerpunktverteilung und ein stabilerer Flugverlauf. Zudem war der Aufbau fur die Herstellung relativ kompakt.

Die 15 cm Wurfgranate 41 wurde vor allem mit dem Nebelwerfer 41, einem mehrfachen Raketenwerfer mit sechs Rohren, abgefeuert. Dieses System konnte innerhalb weniger Sekunden eine Salve von Raketen verschießen und so große Flächen mit Sprengwirkung oder Nebel einhullen. Die psychologische Wirkung auf gegnerische Truppen war erheblich – nicht nur wegen der Detonationen, sondern auch wegen des markanten Heulens beim Start, das diesen Waffen schnell den Spitznamen „Heulende Kuh“ (Mooing Cow) einbrachte.

Trotz ihres Erfolgs und ihrer Mobilität hatten diese Raketen auch Schwächen. Die Treffergenauigkeit war im Vergleich zu gezogenen Geschutzen begrenzt, und die Nachladezeit relativ lang. Dennoch blieb der Nebelwerfer mit der 15 cm-Wurfgranate ein fester Bestandteil der deutschen Artillerieverbände – sowohl an der Ost- als auch an der Westfront.

Heute gilt die 15 cm Wurfgranate 41 als ein Beispiel fur die technische Kreativität und gleichzeitig auch fur die militärische Kompromisssuche im letzten Abschnitt des Krieges. Viele dieser Waffen wurden unter großem Zeitdruck entwickelt, in der Hoffnung, durch neue Technologien einen taktischen Vorteil zu gewinnen. Die Idee, den Raketenmotor an die Front zu verlegen, wurde in späteren Jahrzehnten kaum weiterverfolgt – war aber in ihrer Zeit ein interessanter Lösungsansatz.

In zahlreichen Museen in Europa – etwa im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden oder im Musée de l’Armée in Paris – können heute erhaltene Exemplare oder Nachbildungen dieser Raketen besichtigt werden. Auch in Fachliteratur uber die Waffentechnik des Zweiten Weltkriegs findet man regelmäßig Analysen zur Konstruktion der Wurfgranate 41.

Fur Technikinteressierte und Geschichtsfreunde ist dieses Projektil ein faszinierender Einblick in ein Kapitel der Kriegsfuhrung, das oft im Schatten der großen strategischen Entwicklungen steht. Die Verbindung aus Ingenieurskunst, Pragmatismus und den begrenzten Ressourcen jener Zeit spiegelt sich deutlich in diesem kleinen, aber bemerkenswerten Raketengeschoss wider.

LEAVE A RESPONSE

Your email address will not be published. Required fields are marked *