Der Sherman-Panzer – Biest oder Pleite?
Alte Erinnerungen

Der Sherman-Panzer – Biest oder Pleite?

Der Sherman-Panzer zählt neben dem deutschen Tiger und dem sowjetischen T-34 zu den bekanntesten Panzern des Zweiten Weltkriegs. In den Jahrzehnten nach dem Krieg verschlechterte sich sein Ruf so sehr, dass viele ihn als den schlechtesten Panzer des Krieges betrachteten. Wir werden uns eingehend damit befassen, ob der Sherman diesen Ruf verdient und warum er durchaus als der beste Panzer des Zweiten Weltkriegs gelten kann.

Der Sherman und sein schrecklicher Ruf

Wenn man Leute nach dem Sherman fragt, könnte man meinen, er sähe so neu aus. (Foto: Lev Fedoseyev\TASS via Getty Images)

Das grundlegende Fahrwerk, der Antriebsstrang und der Unterrumpf des Sherman stammten aus den 1930er Jahren und wurden mit großem Schwerpunkt auf Zuverlässigkeit und Gleichteile konstruiert, um die Wartung zu erleichtern.

Viele Beschwerden uber den Panzer beziehen sich auf seine Gasmotoren, deren Treibstoff sich bei einem Treffer leicht entzundete. Das Fahrzeug war ursprunglich fur den luftgekuhlten 400 PS starken Continental R975 Sternmotor konzipiert. Dieser hatte ein gutes Leistungsgewicht, war aber sehr hoch, sodass der Sherman fast so hoch war wie der Tiger, obwohl er 25 Tonnen weniger wog. Diese Höhe machte den Sherman zu einem leichten Ziel, insbesondere von der Seite.

Die Panzerung ist ein weiterer Streitpunkt, da sie an der Vorderseite der Wanne nur 50 mm und an den Seiten und am Heck 38 mm betrug. Der Turm schnitt mit 76 mm an der Vorderseite und 50 mm an den Seiten und am Heck etwas besser ab.

Mit der richtigen Munition konnten Tiger, Panther und Königstiger den Sherman aus einer Entfernung von weit uber 3.000 Metern durchdringen – ein schlichtweg unfairer Vorteil.

Ein durchdringender Treffer hätte bei fruheren Modellen aufgrund der Munitionslagerung mit ziemlicher Sicherheit auch den Panzer in Brand gesetzt. Studien aus dem Krieg ergaben, dass 55 bis 80 Prozent der Shermans nach einem Treffer brannten.

Die Munition, die er mitfuhrte, war gegen spätere deutsche Panzer relativ nutzlos. Die 75-mm-M3-Kanone, die das M61 APCBC-Geschoss abfeuerte, konnte auf 100 Meter 88 mm Panzerung durchschlagen. Der Tiger 1 hatte an der Front eine 100 mm dicke Panzerung.

Aus diesen Grunden ist es klar, dass der Sherman im direkten Duell gegen die schwereren deutschen Panzer kaum eine Chance hatte. Ein deutscher Panzer könnte 3.000 Meter entfernt stehen, eine Salve abfeuern, den Sherman durchschlagen und in Brand setzen, oder? Absolut. Macht das den Sherman zu einem unterlegenen Panzer? Nicht ganz.

Warum war der Sherman so?

Bildnachweis: Lev Fedoseyev\TASS uber Getty Images

Viele der Argumente, die die Schwächen des Sherman hervorheben, beziehen sich auf schwerere und neuere deutsche Panzer. Um den Sherman jedoch vollständig zu verstehen, muss man die Herausforderungen verstehen, vor denen die alliierten Streitkräfte damals standen.

Jeder in den USA produzierte Panzer, der fur Europa bestimmt war, musste uber den Atlantik verschifft werden. Um die Anzahl der Fahrzeuge pro Lieferung zu erhöhen, mussten die Ingenieure ein perfektes Gleichgewicht zwischen Gewicht und Leistung finden.

In Deutschland gab es solche Gewichtsbeschränkungen nicht, da die Fahrzeuge per Bahn uber den Kontinent transportiert wurden. Der Sherman war von Anfang an in vielerlei Hinsicht eingeschränkt.

Trotzdem ist es voller großartiger Qualitäten.

Die hervorragenden Eigenschaften des Sherman: Feuerkraft

Bildnachweis: European/FPG/Getty Images

Zum Zeitpunkt seiner Konstruktion war der Panzer IV der schwerste deutsche Panzer. Der Panzer IV war an sich schon ein hervorragender Panzer, der nach Ansicht vieler den größeren Panzern des Landes Vorrang hätte einräumen sollen.

Bis 1942 betrug die maximale Panzerung eines Panzer IV 50 mm, die flach an der Vorderseite der Wanne angebracht war. Die Turmfront war mit nur 30 mm Panzerung sogar noch schlechter. Ein Sherman mit der kleineren 75-mm-Kanone konnte diese Panzerung aus uber 2.500 Metern Entfernung durchschlagen, während die kurzläufige 75-mm-Kanone des Panzer IV die Frontpanzerung des Sherman selbst aus kurzester Distanz nur kitzeln konnte.

Leere 75-mm-HE-Granatenhulsen wurden von Sherman-Panzern eingesammelt, die im Bruckenkopf von Anzio, Italien, indirekte Feuerunterstutzung leisteten, 5. Mai 1944. (Foto: No 2 Army Film & Photographic Unit)

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Um mit dickerer Panzerung fertig zu werden, rusteten die Briten den Sherman mit einer 17-Pfunder-Kanone aus, die mit dem Sherman Firefly extrem leistungsstark war. Die USA zogen später mit der 76-mm-M1-Kanone nach.

Rustung

Blick auf zwei M4 Sherman-Panzer, die während einer Übung im Juli 1942 durch den Rauch manövrieren. (Bildnachweis: Camerique/Getty Images)

Auf dem Papier wirkt die Panzerung des Sherman mit genau der halben Frontpanzerung des Tiger I unscheinbar, doch in Wirklichkeit war der Sherman einer der am besten geschutzten mittleren Panzer des Krieges. Seine 50 mm starke Frontpanzerung war um 56 Grad angewinkelt, was ihm eine effektive Panzerdicke von 90 mm verlieh – fast so dick wie die Front des Tiger I. Eine deutsche Studie kam zu dem Schluss, dass selbst die beruchtigte 88-mm-Kanone des Tiger I die Front eines Sherman nicht durchdringen könnte, wenn sie um 30 Grad abgewinkelt wäre.

Die Seitenpanzerung des Sherman war nur 38 mm dick und uberhaupt nicht abgewinkelt. Im Vergleich dazu war die Seitenpanzerung des Panthers nur 2 mm dicker, allerdings in einem 30-Grad-Winkel. Doch selbst mit diesem Winkel konnte sie vom 75-mm-M3 des Sherman aus weit uber 2.000 Metern Entfernung durchdrungen werden.

Dieser Panzerschutzgrad war bei einem 35-Tonnen-Panzer zu dieser Zeit praktisch unbekannt.

Die spätere, längerläufige 88-mm-KwK 43 L/71, die auf Fahrzeugen wie dem Tiger II und dem Jagdpanther zum Einsatz kam, hätte den Sherman auf jeder Kampfdistanz in Grund und Boden geschlagen, aber selbst die schwersten sowjetischen Fahrzeuge im Krieg waren gegen dieses verheerende Geschutz nicht immun.

Brandrisiken

Ein brennender Sherman-Panzer, der während der Ardennenoffensive zuruckgelassen wurde. (Foto: Allan Jackson/Keystone/Getty Images)

Die Hauptbeschwerde uber den Sherman war seine beruchtigte Angewohnheit, bei Treffern zu brennen; das ist jedoch ungerechtfertigt. Der Hauptgrund fur die Unbeständigkeit des Sherman lag in seiner Munitionslagerung. Munition wurde im Turm, an den Rumpfseiten und im Rumpfboden gelagert, was bedeutete, dass ein Treffer an der Seite (wo Treffer am wahrscheinlichsten waren) mit ziemlicher Sicherheit Munition traf. Ebenso entzundete sich das Benzin leicht, wenn es Flammen ausgesetzt war.

Das Problem mit diesem Argument ist, dass fast alle vergleichbaren Panzer – T-34, Panzer IV, Tiger und Panther – ihre Munition ebenfalls an diesen Orten lagerten und alle außer dem T-34 uber Benzinmotoren verfugten. Das bedeutet, dass der Sherman nicht der einzige war, der unter Feuergefahr litt. Einer alliierten Studie zufolge geriet der Panzer IV sogar häufiger in Brand als der Sherman.

Beim Sherman war das Brennen kein örtlich begrenztes Problem, wurde aber bei den meisten Panzern dieser Zeit beobachtet.

ca. 1940: Eine Panzerdivision der Achsenmächte steht unter schwerem britischen Artilleriefeuer. (Bildnachweis: Keystone/Getty Images)

Die USA versuchten jedoch, dies zu korrigieren, indem sie zunächst Zusatzpanzerung an gefährdeten Stellen anbrachten und später Nassmunitionslager anbrachten. Nassmunitionslager umhullten die Granaten mit Flussigkeit, die jedes Feuer sofort löschte. Dies hatte einen enormen Einfluss auf die Brandrate der Shermans: Nur 10–15 Prozent brannten nach einem Treffer, was ihn ironischerweise zu einem der am  wenigsten  entflammbaren Panzer des Krieges machte.

Große federbelastete Luken und eine Bodenluke ermöglichten im Brandfall eine schnelle Flucht aus dem Fahrzeug.

Panzer mit Nassmunitionslager sind an einem „W“ in der Bezeichnung zu erkennen, zum Beispiel M4A1(76)W.

Daruber hinaus ist die Annahme, der Sherman habe aufgrund seines Slogans „Lights first time, every time“ den Spitznamen „Ronson“ erhalten, wahrscheinlich ein Mythos. Genau dieser Slogan tauchte erst in den 1950er Jahren in Ronson-Werbungen auf. Es gibt zwar eine Ronson-Werbung aus dem Jahr 1927 mit dem Slogan „Lights every time“, aber dass Soldaten den Sherman mit einem Slogan in Verbindung brachten, der 15 Jahre vor der Einfuhrung des Panzers verwendet wurde, erscheint unwahrscheinlich.

Anpassungsfähigkeit

Sherman Firefly. (Bildnachweis: No 5 Army Film & Photographic Unit)

Das Design des Sherman eignete sich gut fur zukunftige Upgrades.

Der Panzer verfugte fur seine Größe uber einen sehr großen Turmkranz (größer als der des Panther), wodurch er problemlos mit zukunftigen Waffenupgrades kompatibel war und den Komfort der Besatzung verbesserte. Die hohe Höhe des Panzers bedeutete auch mehr Platz fur die Besatzung im Inneren, die deutlich effektiver agieren konnte als bei ausländischen Modellen. Zudem ermöglichte sie den Einsatz einer großen Motorenpalette, wodurch das Problem von Motorenmangel, der die Produktion verzögerte, beseitigt wurde.

Spätere Upgrades steigerten die Kampffähigkeiten des Panzers durch den besser gepanzerten M4A3E2 „Jumbo“ Sherman und den besser bewaffneten britischen Firefly.

Logistik

Bildnachweis: US Army Signal Corps

Die bisher angesprochenen Hauptargumente waren die am häufigsten genannten Eigenschaften des Sherman, die viele als schwerwiegende Nachteile auf dem Schlachtfeld betrachten. Doch der Sherman ist noch beeindruckender, wenn man seine logistischen Vorteile berucksichtigt.

Der Sherman wurde von Anfang an so konzipiert, dass er einfach zu bauen, zu reparieren und zu warten war. Es wurden austauschbare Teile verwendet, sodass ein Fahrgestell einfach von einem Panzer abgeschraubt und an einem anderen befestigt werden konnte. Ebenso konnten das frontmontierte Getriebe und sein Gehäuse komplett abgeschraubt und entfernt werden. Diese Anordnung bot der Besatzung zudem besseren Schutz.

Der Sherman war so einfach zu produzieren, dass die USA während des Krieges 50.000 Stuck davon produzierten. Die Sowjets produzierten zwar deutlich mehr T-34, doch die Qualität dieser Fahrzeuge war oft so schlecht, dass Regenwasser durch die Schweißnähte sickerte. Zudem wurden sie von verschiedenen Fabriken nach völlig unterschiedlichen Spezifikationen gebaut, was die Austauschbarkeit der Teile einschränkte.

Die Deutschen konnten mit der Produktion alliierter Fahrzeuge einfach nicht Schritt halten. Während des Krieges wurden knapp 1.400 Tiger und 490 Tiger II produziert. Infolgedessen waren Panzergefechte mit diesen Fahrzeugen äußerst selten. Aus diesem Grund zogen viele Besatzungen die 75-mm-Kanone der stärkeren 76-mm-Kanone vor, da sie eine deutlich bessere Sprengladung abfeuerte, die gegen die zahlreicheren Weichpanzerfahrzeuge und Truppen eingesetzt werden konnte.

M4 Shermans uberqueren eine Pontonbrucke. (Bildnachweis: Fred Ramage/Keystone/Hulton Archive/Getty Images)

Sein Gewicht von rund 35 Tonnen ermöglichte es ihm, kleinere europäische Brucken zu uberqueren als schwere deutsche Panzer, und er erleichterte die Bergung eines ausgeschalteten Panzers erheblich.

Abschluss

Bildnachweis: Galerie Bilderwelt/Getty Images

War der Sherman also der beste Panzer des Krieges? Es hängt von den verwendeten Maßstäben ab.

Wenn man beispielsweise den besten Panzer auf der stärksten Kanone basieren lässt, wäre der Jagdtiger der Gewinner. Doch der Jagdtiger ist ein Entwurf, der heute als Fehlschlag gilt. Dies verdeutlicht, warum die Auswahl eines einzigen Attributs keine gute Methode ist, den besten Panzer des Krieges zu bestimmen.

Aus objektiver Sicht ist der Sherman ein außergewöhnlicher Allrounder, der dank seiner Anpassungsfähigkeit auch später im Krieg mit deutlich neueren und fortschrittlicheren Fahrzeugen konkurrieren konnte. Seine einfache Wartung hielt ihn am Laufen, und seine einfache Produktion sorgte fur ständige Neuproduktion. Seine Kanone war gegen die meisten Ziele völlig ausreichend, und stärker bewaffnete Versionen konnten mit fast allen anderen Zielen fertig werden. Die Besatzungen operierten relativ komfortabel, und im Falle eines Treffers gehörten spätere Modelle zu den sichersten Fahrzeugen, in denen man sich aufhalten und aus denen man entkommen konnte.

Aus diesen Grunden verdient der Sherman zumindest einen besseren Ruf und man kann mit Fug und Recht behaupten, er sei der beste Panzer des Zweiten Weltkriegs.

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