DAS SCHICKSAL DER SOWJETISCHEN HÄFTLINGE IN AUSCHWITZ
Alte Erinnerungen

DAS SCHICKSAL DER SOWJETISCHEN HÄFTLINGE IN AUSCHWITZ

Am 22. Juni 1941 begann die deutsche Armee mit dem Einmarsch in die Sowjetunion. Während der Offensive drangen die deutschen Truppen erfolgreich in den Westen des Landes vor und eroberten ab Dezember die Gebiete von Leningrad (dem heutigen St. Petersburg) im Norden uber die Vororte Moskaus im Osten bis nach Rostow im Suden. In dieser Zeit (von Juni bis Dezember) wurden zahlreiche Einheiten der Roten Armee vernichtet, zerstreut oder eingekesselt, und uber 3,3 Millionen sowjetische Soldaten gerieten in Kriegsgefangenschaft.

Quelle: Archiv des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau (im Folgenden: A-BSMA)

Eine Kolonne gefangener sowjetischer Gefangener.

Der Umgang der Deutschen mit sowjetischen Kriegsgefangenen verstieß gegen jegliches Völkerrecht: Sie wurden zu langen Märschen in Durchgangslager gezwungen oder tagelang ohne Nahrung und Getränke mit der Bahn transportiert. In den Kriegsgefangenenlagern wurden sie lange Zeit ohne Unterkunft und unter katastrophalen hygienischen Bedingungen festgehalten und erhielten unzureichende Nahrung, was zu chronischem Hunger fuhrte. Diese Behandlung fuhrte zu einem kritischen körperlichen Zustand der meisten Gefangenen, zu Krankheiten und in der Folge zu einer hohen Sterblichkeitsrate in den Lagern. Bis Anfang Dezember 1941 verloren rund 1,4 Millionen sowjetische Kriegsgefangene ihr Leben.

Die hohe Zahl der Opfer, insbesondere in der ersten Kriegsphase, war unter anderem auf die ideologischen (neben militärischen und politischen) Kriegsziele der Fuhrung des Dritten Reichs zuruckzufuhren. Eines davon war die Zerstörung des Kommunismus, der offiziellen Ideologie der Sowjetunion. Am 30. März 1941 erklärte Adolf Hitler bei einer Lagebesprechung vor höheren Wehrmachtsoffizieren unverblumt, dass der Krieg im Osten ein Konflikt zweier gegensätzlicher Ideologien sein werde und zur Zerstörung des Sowjetstaates und des Kommunismus fuhren werde, da diese eine große Gefahr fur die Zukunft Deutschlands darstellten.

Unsere Prioritäten in Bezug auf Russland: die Zerschlagung der Streitkräfte, die Liquidierung des Staates. […] Der Kampf zweier Ideologien: Vernichtende Aussage zum Bolschewismus: [Der] ist gleichbedeutend mit antisozialer Kriminalität. Der Kommunismus ist eine immense Gefahr fur die Zukunft. Wir mussen jegliche Kameradschaft gegenuber Soldaten aufgeben. Kommunisten waren nie und werden nie unsere Waffenbruder sein. Dies ist ein Vernichtungskrieg. Wenn wir das nicht akzeptieren, werden wir den Feind besiegen, aber in dreißig Jahren werden wir dem kommunistischen Feind erneut gegenuberstehen. Wir fuhren diesen Krieg nicht, um den Feind zu erhalten. […]

Der Kampf gegen Russland: die Vernichtung der bolschewistischen Kommissare und der kommunistischen Elite.[ …]

Wir mussen das Gift des Zerfalls bekämpfen. Dies ist kein Fall fur Militärgerichte. Truppenfuhrer mussen wissen, was auf dem Spiel steht. Sie mussen den Kampf fuhren. Truppen mussen sich mit denselben Mitteln verteidigen, mit denen sie angegriffen werden. Kommissare und GPU-Mitarbeiter sind Kriminelle und mussen als solche behandelt werden. …

Der Kampf wird anders verlaufen als im Westen. Im Osten bedeutet Härte jetzt Milde fur die Zukunft.

Kommandeure mussen Opfer von sich selbst verlangen und ihre eigenen Zweifel uberwinden.

Quelle: Rotarmisten in Deutscher Hand. Dokumente zur Gefangenschaft, Repatriierung und Rehabilitierung sowjetischer Soldaten des Zweiten Weltkrieges. Herausgegeben von R. Overmans, A. Hilger und P. Polian, [ed. von.] Ferdinand Schöningh, Paderborn, Munchen, Wien, Zurich, 2012, S. 123-125.

Die Anweisungen und Befehle der hohen Befehlshaber der Wehrmacht und des Chefs des RSHA (Reichssicherheitshauptamt) folgten diesen Richtlinien. Einer der wichtigsten war der Befehl zur Behandlung politischer Kommissare (der sogenannte Komissarbefehl ), der am 6. Juni 1941 vom Oberkommando der Wehrmacht (OKW) erlassen wurde. Dessen Bestimmungen zufolge waren Kommissare, also politische Offiziere der Roten Armee, nicht als Kern der sowjetischen Armee zu behandeln, sondern als „Quellen des Widerstands“ und als solche eine Bedrohung fur die Sicherheit der deutschen Soldaten. Folglich wurde ihre bedingungslose Liquidierung im Gebiet militärischer Operationen angeordnet, und falls sie hinter den Linien gefangen genommen wurden, sollten sie der Sipo und dem SD ( Sicherheitspolizei und Sicherheitsdienst) ubergeben werden, die dem RSHA unterstanden .

Im Kampf gegen den Bolschewismus ist die Einhaltung der Grundsätze der Menschlichkeit und des Völkerrechts durch den Feind nicht zu erwarten. Insbesondere ist damit zu rechnen, dass Gefangene von uns von politischen Kommissaren aller Art mit Hass, Grausamkeit und Unmenschlichkeit behandelt werden. Daher mussen sich die Linientruppen daruber im Klaren sein:

  1. In diesem Kampf sind Gnade und Rucksichtnahme auf das Völkerrecht fehl am Platz. Sie stellen eine Gefahr fur unsere eigene Sicherheit und fur die schnelle Befriedung der eroberten Gebiete dar.
  2. Die Urheber barbarischer, asiatischer Kriegsmethoden sind die politischen Kommissare. Daher mussen gegen sie sofort und ohne Zögern harte Maßnahmen ergriffen werden. Sie werden daher, wenn sie im Kampf gefangen genommen werden, routinemäßig mit Feuerwaffen liquidiert. …

I. Einsatzgebiet

Sie sind sofort, also noch auf dem Schlachtfeld, von den Kriegsgefangenen zu trennen. Dies ist notwendig, um ihnen jede Möglichkeit zu nehmen, auf die gefangenen Soldaten Einfluss zu nehmen. Diese Kommissare sind nicht als Soldaten anzuerkennen; der völkerrechtliche Schutz von Kriegsgefangenen gilt fur sie nicht. Nach ihrer Trennung sind sie zu vernichten. …

II. Hinter den Kulissen

Kommissare, die bei verdächtigen Aktivitäten hinter den Linien erwischt werden, sind der Einsatzgruppe oder dem Einsatzkommando der Sicherheitspolizei und des SD zu ubergeben.

Quelle: Rotarmisten in Deutscher Hand. Dokumente zur Gefangenschaft, Repatriierung und Rehabilitierung sowjetischer Soldaten des Zweiten Weltkrieges . Herausgegeben von R. Overmans, A. Hilger und P. Polian, [ed. von] Ferdinand Schöningh, Paderborn, Munchen, Wien, Zurich 2012, S. 318-321; S. Datner, Zbrodnie Wehrmachtu na jeńcach wojennych w czasie II wojny światowej , Warszawa 1964, S. 122–123.

Wie bereits erwähnt, gerieten in den ersten Kriegsmonaten uber drei Millionen sowjetische Soldaten in Gefangenschaft. Der deutschen Wehrmachtsfuhrung und dem Kommando des RSHA war bewusst, dass sich unter so vielen Kriegsgefangenen auch Politkommissare und kommunistische Aktivisten befinden mussten. Deshalb wurde der Befehl erlassen, diese in den Kriegsgefangenenlagern zu finden und zu liquidieren. Eine besondere Rolle spielte dabei der „Operationsbefehl Nr. 8“ vom Chef des RSHA, Reinhard Heydrich, vom 17. Juli 1941. Er enthielt Richtlinien fur Sipo- und SD-Einheiten, die in die Kriegsgefangenenlager geschickt wurden und aus einem Kommandeur und vier bis sechs Funktionären bestanden. Ihre Aufgabe bestand darin, nicht nur Kommissare zu finden, sondern auch Vertreter der kommunistischen Intelligenz, Funktionäre der bolschewistischen Partei, Personen in Schlusselpositionen der Staatsverwaltung und der Wirtschaft sowie alle Juden. Anschließend wurden sie zur Tötung in die nahegelegenen Konzentrationslager deportiert. Eines der Lager, in das Kriegsgefangene deportiert und ermordet wurden, war Auschwitz.

Ich lege Richtlinien fur Säuberungen in Kriegsgefangenenlagern bei, in denen sowjetische Soldaten inhaftiert sind. Die Richtlinien wurden gemeinsam mit der Abteilung fur Kriegsgefangene des OKW erstellt. […] Die Leiter der Gefangenen- und Übergangslager wurden vom OKW benachrichtigt.

Bitte entsenden Sie umgehend eine Einheit, bestehend aus einem Kommandanten und 4–6 Personen, in [jedes] Kriegsgefangenenlager.

Sie unterstehen direkt dem Leiter der Sipo und des SD und erhalten eine spezielle Ausbildung fur ihre Aufgaben. Innerhalb des Lagers handeln sie nach den Vorgaben des Leiters der Sipo und des SD. Lagerkommandanten und insbesondere die Geheimdienstoffiziere in den Lagern sind verpflichtet, eng mit den Einheiten zusammenzuarbeiten. […] Die Einheiten mussen ihr Fachwissen nutzen und ihren eigenen Schlussfolgerungen und gewonnenen Erkenntnissen folgen. Deshalb sollten sie ihre Aufgaben erst dann ubernehmen, wenn sie geeignetes Material gesammelt haben.

Zunächst sollten sie identifizieren: alle wichtigen Staats- und Parteifunktionäre, insbesondere Berufsrevolutionäre, Funktionäre der Komintern, alle höheren Parteifunktionäre auf zentraler und lokaler Ebene, alle Volkskommissare und ihre Stellvertreter, alle ehemaligen Politkommissare der Roten Armee, Inhaber wichtiger Posten in der zentralen und lokalen Verwaltung, hohe Wirtschaftsbeamte, sowjetisch-russische Intellektuelle, alle Juden, alle, die als Anstifter oder fanatische Kommunisten bekannt sind. …

Hinrichtungen durfen nicht im Lager oder in seiner unmittelbaren Umgebung stattfinden.

Quelle: „ Traktowanie jeńców w świetle dokumentów“, in: Biuletyn Głównej Komisji Badania Zbrodni Niemieckich w Polsce , Bd. V, 1949, S. 129–131.

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